Eratigena atrica

Gattung wurde 2013 umbenannt, wobei die Eratigena atrica die Typusart darstellt

Versuchshaltung einer Eratigena atrica
(ehemals Tegenaria atrica)

von Crisanta Hoffmann, veröffentlicht in der ARACHNE Ausgabe 7 | 2012

Seit 2008 beschäftige ich mich intensiv mit orthognathen und labidognathen Spinnenarten. Diese gehören zum Stamm der Gliederfüßer (Arthropoda) und bilden die Klasse der Spinnentiere (Arachnida). Die Begriffe Orthognatha und Labidognatha leiten sich aus der Stellung der Chelizeren ab. Bei den orthognathen Spinnen verlaufen die Mundwerkzeuge parallel zueinander, bei den labidognathen fassen sie aufeinander zu.

Mitte November vorigen Jahres bemerkte ich im Keller eine Tegenaria atrica. Es handelte sich um ein sehr schönes großes Exemplar dieser Art, welche auch für ihre großen Trichternetze bekannt ist. Da mich auch diese labidognathe Art sehr fasziniert, bekam sie einen Platz in einem Plastikbehälter mit einem Durchmesser von 20 cm, den ich in meine Terrarienwand neben die orthognathen Vertreter der Arachnida stellte. Mit 18mm Körperlänge war sie ein sehr stattliches Exemplar. Man konnte schon mit dem bloßen Auge ihre Chelizeren sehen und den direkten Vergleich mit den Vogelspinnen ziehen.

Zu diesem Zeitpunkt bereiteten die ArachnoFreunde Nordbayern eine Ausstellung von Vogelspinnen und Exoten im OBI-Markt Forchheim (27.11. - 03.12.2011) vor, wobei die Tegenaria atrica, jedem bekannt als einheimische Keller-/Hauswinkelspinne, eine schöne und interessante Ergänzung zu den orthognathen Spinnen darstellte. Eine große Lupe reichte zum Betrachten der Chelizeren. Auch auf der nächsten Ausstellung in Erlangen am 03.12.2011 fand sie viele Interessenten. Fragen zur Giftigkeit und zur Ernährung kamen und wurden beantwortet. Wir konnten etwaige Befürchtungen entkräften, da ja die Chelizeren nicht in der Lage sind, die menschliche Haut zu durchdringen und gaben auch wertvolle Informationen zur Nützlichkeit. Denn sie ernährt sich vorwiegend von Kellerasseln, Silberfischchen und sonstigen „lästigen“ Kellerbewohnern. Danach sahen die meisten Besucher ihre Hauswinkelspinnen bestimmt in einem anderen Licht. Nun wurde auch das „eingesperrte“ Exemplar genauer betrachtet. Nach den Ausstellungen zog sie wieder in mein Wohnzimmer.

Ihr angebotenes Futter, meistens Heimchen größer als sie selbst, erjagte sie sich, indem sie das Futtertier verfolgte und erbeutete. Bei dem reichlichen Angebot an Futter, begann sie in ihrem „Terrarium“ viel zu spinnen, wobei der Deckel des Gefäßes mit einbezogen wurde. Vollkommen überrascht war ich, als ich plötzlich einen stationären Kokon in ihrem Behältnis vorfand. Wenn ich sie fütterte, hielt sie sich immer in dessen Nähe auf. Im Abstand von 10-14 Tagen folgten weitere Kokons, die sie im gesamten Behälter meistens hängend verteilte. Der erste Schlupf war 24 Tage nach der Kokonerstellung, wobei ich von der Körperlänge der Larven von 1mm überrascht war. Dementsprechend schlüpften die anderen. Die ersten 7-9 Tage verblieben die Spiderlinge in dem „Kinderstubennetz“ ähnlich unserer heimischen Listspinne (Pisaura mirabilis), wo ich auch schon dieses Verhalten beobachten konnte, behütet vom Muttertier. Innerhalb des Netzes waren die kleinen Spinnen schon recht aktiv. Nach der Häutung in die 1. Fresshaut verließen sie das schützende Netz.

Statistik über den Kokonbau und den Schlupf der Jungtiere:

KokonBauSchlupfDauer (Tage)Anzahl (ca.)
110.12.201103.01.201224100
220.12.201113.01.20122460
330.12.201119.01.20122060
406.01.201228.01.20122240
516.01.201210.02.20122540
602.02.201220.02.20121830
710.02.201202.03.20122125
818.02.201214.03.20122525
928.02.201224.03.20122520
1012.03.2012.........

Während der Schlupfzeit und der Zeit beim Verlassen der Netze nahm die Zahl freilaufender Weberknechte (Opiliones) in der näheren Umgebung des Gefäßes stark zu. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zu den Webspinnen ist lt. Wikipedia eine sogenannte Verwachsung des Vorderkörpers (Prosoma, Cephalothorax) und des Hinterkörpers (Opisthosoma); das Opisthosoma ist stets gegliedert. Weberknechte verfügen weder über Gift- noch über Spinndrüsen. Alle Weberknechte besitzen Stinkdrüsen und haben im Gegensatz zu Webspinnen mit einem Penis ein echtes Geschlechtsorgan.

Einige Jungspinnen der Tegenaria konnten aus den Belüftungslöchern entweichen. Die meisten kamen nicht weit, was man an den Mahlzeitresten unter den Weberknechten sehen konnte. Die im Terrarium verbliebenen Jungspinnen, ernährten sich von ihren Geschwistertieren. Dazu warteten sie geduldig vor dem Netz. Sie sahen alle gut genährt aus. So wurde auch in meinem Wohnzimmer eine natürliche Auslese vollzogen. Das Muttertier bekam weiterhin einmal in der Woche ein Heimchen. Dass sich das Muttertier auch von den Jungtieren ernährte, konnte ich nicht feststellen. Aus den Kokons schlüpften weitere Spinnen. In den Netzen herrschte reges Kribbeln.

Nach dem 10. Kokon habe ich sie bei schönem Wetter (über 20°C) wieder in die Natur entlassen, natürlich an einer geschützten Stelle, damit sie nicht gleich einem Fressfeind zum Opfer fällt. Sie wird jetzt in meinem Garten, Keller oder Garage Gutes tun und hoffentlich ein langes Leben auf Grund meiner ökologischen Gartenbewirtschaftung haben. Tegenarias können ein Alter von 10 Jahren erreichen, was auch sehr erstaunlich ist. Am 25.03.2012 war der 10. Kokon noch nicht geöffnet.

Fazit

Die Haltung von labidognathen Spinnen stellt immer noch einen Randbereich in der Spinnenhaltung und Erforschung dar. Relativ wenige Arten werden dauerhaft nachgezüchtet, so dass mehr oder minder die Arten angeboten werden, die als Wildfänge zu den Verkäufern gelangen. Meistens finden sich verschiedene Ctenidae (Jagdspinnen), Sparassidae (Riesenkrabbenspinnen), Theridiidae (Kugelspinnen), Sicariidae (nur die beiden Gattungen Loxosceles und Sicarius) oder Radnetzspinnen (überwiegend Nephila, Nephilengys, Argiope sp.). Der überwiegende Teil dieser Tiere ist für den Menschen vollkommen ungefährlich. Somit ist ein Befassen mit Exemplaren aus dem heimischen Fundus von großer Bedeutung. Für mich ist dieses Reproduktionsvermögen der Spinne sehr erstaunlich und faszinierend. Die Tegenaria aus meiner Obhut baute bei gutem Futterangebot weiterhin in bestimmten Abständen ihre Kokons, wobei nur die darin befindliche Zahl der Eier abnahm. Da sie ihr Netz im ganzen Gefäß unter Einbeziehung des Deckels anlegte, war es sehr schwierig, Fotos zu erstellen. Beim Öffnen hätte ich ihr Netz zerstört und das wollte ich nicht riskieren.


Crisanta Hoffmann, Mitglied der ArachnoFreunde Nordbayern (arachnoba.de)